06.02.2024
Schichtarbeit spielt in Produktionsbetrieben eine bedeutende Rolle. Auf viele Menschen wirkt sie jedoch unattraktiv. Um trotzdem ausreichend Personal dafür zu finden, braucht es neue, flexible Modelle. Das Beratungsunternehmen Ximes präsentierte bei einer Veranstaltung der Abteilung Human Capital Management im Jänner den Teilnehmer:innen einige Ansätze.
Gerade die Zuschläge bei Nachtschicht mit Schwerarbeit motivieren immer noch viele Fachkräfte, einer Schichtarbeit nachzugehen. Jüngere Mitarbeiter:innen sind aber immer weniger bereit dazu. Vor allem die Nachtschicht ist unbeliebt und lässt Arbeitgeber als unattraktiv erscheinen. Dieser Umstand fordert Unternehmen bei der Personalsuche enorm heraus. „Gesunde Nachtarbeit gibt es nicht. Die physiologische Leistungskurve erreicht nachts den absoluten Tiefststand“, stellte Ruth Siglär von Ximes klar.
Gesundheitliche Probleme treten oft erst nach 25 Jahren regelmäßiger Nachtschichten auf und können chronisch werden. Arbeitsmediziner:innen empfehlen daher höchstens zwei bis drei Nächte hintereinander zu arbeiten. Danach sollten Schichtarbeiter:innen zusätzlich zu einem „Ausschlaftag“ weitere zwei Tage frei haben. „Im Sinne der Regeneration wäre das der Idealfall“, betonte Siglär.
Schichtmodelle sollten planbar sein, sich wiederholen und nicht zu schnell rotieren. Lange Planungsperioden seien wichtig, denn Menschen möchten ihr Leben rund um den Schichtplan gut organisieren können. Über längere Freizeitblöcke freuen sich alle Mitarbeiter:innen. Vor allem dann, wenn über lange Perioden mit sechs oder mehr Tagen hintereinander gearbeitet werden muss.
Beim Umstellen der Schichtmodelle sollte der Betriebsrat unbedingt eingebunden werden. „Darauf reagieren viele Mitarbeiter:innen positiv“, sagte die Beraterin. Ein besonderer Fall seien Arbeitskräfte mit „Überstundensucht“. Diese horten Überstunden und freuen sich nicht über neue Modelle, die Überstunden reduzieren. Die finanziellen Bedürfnisse spielen eine große Rolle. Gerade für Mitarbeiter:innen mit geringer Ausbildung sind die Zulagen wichtig. „Arbeitswissenschaftliche Empfehlungen sind das eine, aber wenn die Belegschaft nicht mitzieht, können Sie Schichtpläne nicht verändern“, erklärte Siglär.
Die Beraterin empfahl, Überstundensalden übers Jahr immer wieder über die Zahlen des Forecasts zu legen. So könne man sie aktiv steuern. Für geplante oder saisonale Spitzen eignen sich Reservekonzepte wie Leasing, Überstunden durch verlängerte Schichten oder der Einsatz von Springer:innen. „Aus Daten von einigen Jahren Trends zu ermitteln ist sinnvoll und schafft Reservekapazitäten. Auch längere Betriebsurlaube helfen – vor allem bei saisonal hoher Auftragslage“, sagte Siglär.
Teilzeitmitarbeiter:innen machen die Schichtplanung flexibler, aber auch komplexer. Eltern können gut Frühschichten übernehmen, aber auch am Wochenende arbeiten. Menschen mit Nebentätigkeit wie Landwirte, Studierende oder in Altersteilzeit seien oft flexibler einsetzbar. „Der Aufwand für die Planung wird natürlich größer, wenn ich mehr Köpfe beschäftige. Gewisse Kosten wie Einschulung, Schutzkleidung und Umkleiden erhöhen sich ebenfalls. Wenn zusätzlich noch die Schichten verkürzt werden, steigen die organisatorischen Anforderungen bei der Übergabe“, gab die Beraterin zu.
Sie strich aber auch die Vorteile von Teilzeitarbeit hervor: Es gibt mehr Kandidat:innen für offene Stellen, Unternehmen können auf saisonale oder tagesaktuelle Schwankungen leichter reagieren. Ältere Arbeitnehmer:innen können länger im Betrieb gehalten werden. Und wird eine Teilzeitkraft krank, fallen nicht gleich so viele Arbeitsstunden aus. „Für Teilzeitmitarbeiter:innen empfehle ich, einige wenige Schichtmodelle anzubieten“, meinte Siglär.
Nicht nur bei den Überstunden und beim Aufbau der Reservekapazitäten riet Siglär zu gutem Zahlenmaterial und laufendem Controlling. So könne auch Fluktuation vorausberechnet und eingeplant werden. Ein beliebtes Modell bei Angestellten sei Gleitzeit, besonders bei der Übergabe sei sie praktikabel. „Das ist aber nur bei gewissen Berufen wie z. B. im Lager, bei der Kommissionierung, im Labor oder in der IT möglich. Bei Maschinenarbeitsplätzen mit hoher Taktzahl und Bandarbeitsplätzen mit einer aufeinander angewiesenen Reihe von Mitarbeiter:innen ist Gleitzeit nur schwer umzusetzen, so realistisch muss man sein“, betonte Siglär.
Die anwesenden Betriebe berichteten, dass Angebote zur Arbeitszeitreduktion aktuell nicht stark angenommen werden, auch nicht bei teilweisem Lohnausgleich. Wegen Inflation und gestiegenen Preisen wollen wohl viele Mitarbeiter:innen nicht auf Teile des Gehalts verzichten. Die Unternehmen orten außerdem den Trend zu mehr Teilzeit und weniger Nachtschicht, gerade bei Jüngeren. Bei ihnen ziehen Zulagen nur mehr bedingt. „Wenn wir neue Modelle ausprobieren, dürfen wir aber nicht an den Mitarbeiter:innen vorbeiplanen und müssen uns die Struktur der Belegschaft genau ansehen“, sagten mehrere der anwesenden Unternehmensvertreter:innen.
„Die Bedürfnisse von Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Einklang zu bringen ist in diesen volatilen Zeiten sehr herausfordernd. Der Einblick in die Möglichkeiten der vielseitigen Einsatzplanung sowie der Austausch mit den anderen Teilnehmern hat mich mit neuen Ideen weitergebracht“, so Sebastian Walter, Group Lead Operations Application & Change Product bei Fronius International.
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